Schachbrett vor der Schacheröffnung
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Wie lassen sich Schacheröffnungen lernen?

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Wie lassen sich Schacheröffnungen lernen?

Ein paar Worte vorweg

Wie kann man Schacheröffnungen gut lernen? Was ist dabei zu beachten? Da es eine Unmenge an Eröffnungen im Schach gibt, ist ein ganz wesentlicher Schritt dabei die Auswahl der richtigen Eröffnung.  Doch diese Auswahl ist nicht nur subjektiv. Die Variantenzahl einer konkreten Eröffnung ist ein guter Parameter, um Kriterien zur Auswahl abzuleiten. Ich gehe auf diese Kriterien umfassend ein und zeige zum Schluss noch ein hilfreiches, kleines, mathematisches Tool. Mit diesem Tool kann man persönlich analysieren, wie geeignet das eigene Repertoire in der Praxis ist. So kann man “unberechenbar” für den Gegner bleiben oder werden. – Ein Praxisbericht.

Wie kann man Eröffnungen lernen?
Früher gab es unzählige Bücher zu Schacheröffnungen

Übrigens

Wer sich aber ganz neu mit Schach beschäftigt, findet hier gute Tipps, wie man Schach leicht lernen kann.

Die Auswahl der Schacheröffnungen

Die Auswahl eines Eröffnungsrepertoires ist eine sehr persönliche Sache. Es gibt dazu im Netz viele Werkzeuge, die einem bei dieser Auswahl helfen:

  • In Wikipedia sind mittlerweile alle Schacheröffnungen gut beschrieben, um sich ein erstes Bild der jeweiligen Eröffnung zu machen. Man muss sie nicht gleich in der Tiefe studieren: https://de.wikipedia.org/wiki/Eröffnung_(Schach)
  • Wie viele Schacheröffnungen gibt es? Welche sind das? – Den Baum aller möglichen Eröffnungen in der Praxis kann man browsen unter http://www.chesstree.net/ bzw. alternativ (besser wegen https) https://www.chessroots.com/
  • Die Open-Source-Webseite https://www.openingtree.com hilft u.a. dabei, die Lichess oder Chess.com Partien eines Spielers zu analysieren. Man kann es z.B. nutzen, um sich auf einen Gegner vorzubereiten, das eigene Spiel bezüglich Eröffnung u.a. zu verbessern oder aus Großmeisterpartien zu lernen.
  • Die eigene “Schachpersönlichkeit” und die dazu passenden Eröffnungen lassen sich herausfinden unter http://www.chesspersonality.com/

Kriterien für die Auswahl von Eröffnungen

Doch bevor man tief in das Studium von bestimmten Eröffnungen einsteigt, sollte man sich vorab über einiges klar werden.

Subjektives Kriterien

Zum einen gibt es nämlich sicherlich subjektive Kriterien für die Auswahl, die sehr verschieden sein können, wie etwa:

  1. Welche Eröffnungen sind mir historisch (aus meiner eigenen Schach-Biographie) ans Herz gewachsen?
  2. Was für Stellungstypen (z.B. offen/geschlossen, positionell/taktisch, etc.) mag ich besonders?
  3. Bin ich bereit, planmäßig mit Computer-bewertetem Nachteil aus der Eröffnung zu kommen, etwa durch ein nicht ganz korrektes Opfer oder Gambit?
  4. Welche Eröffnungen passen zu meiner “Schachpersönlichkeit” (s.o.)? Bin ich ein eher defensiver oder aggressiver Spieler-Typ?
  5. Will ich mal was komplett Neues probieren?
  6. Liegt mir eher Eröffnung, Mittel- oder Endspiel? Wo suche ich die Entscheidung in der Partie?
  7. Welche Figuren mag ich am meisten?
  8. … etc.

Objektive Kriterien

Zum anderen gibt es darüber hinaus aber auch einige objektive Kriterien, die bei der Wahl der Eröffnung helfen können:

  1. Bin ich als Schachspieler in meiner Umgebung neu oder “stadtbekannt”? Kennt man mein bisheriges Repertoire?
  2. Welche Partien von mir sind öffentlich verfügbar? Etwa auf Schachservern oder in Datenbanken.
  3. Mit welchen Eröffnungen habe ich statistisch mehr, mit welchen weniger Erfolg? Hier kann z.B. Openingtree (s.o.) oder das freie Datenbanktool SCIDvsPC helfen.
  4. Führt eine Eröffnung in offene oder geschlossene Stellungen? In positionelles oder taktisches Spiel?
  5. Sind Eröffnungen wegen der entstehenden Bauernstruktur (auch hier kann SCIDvsPC helfen) verwandt und lassen sich deshalb leichter lernen?
  6. etc. …

Einige dieser objektiven Kriterien zielen aber vor allem auf die Frage nach der Anzahl an möglichen Varianten einer Eröffnung ab. Diese sind etwa:

  1. Muss ich meine Eröffnung in der Praxis oft variieren? Wie viele verschiedene Varianten sollte meine Eröffnung haben?
  2. Was kann in der Praxis an Varianten aufs Brett kommen?
  3. Müssen alle Varianten in meinen Schacheröffnungen bekannt sein?
  4. Wie schwer sind die Varianten meiner Eröffnung zu merken?
  5. Muss ich überhaupt Varianten lernen, oder reicht die Kenntnis der Grundidee meiner Eröffnung?
  6. Wird mich ein Gegner wahrscheinlich in meinen eigenen Schacheröffnungen böse überraschen?

Die Anzahl der Varianten in Schacheröffnungen

Neben der Frage nach der konkreten Eröffnung ist also auch die Frage sehr interessant, wie viele Varianten zu einer Eröffnung gehören. Genauer gesagt, wie viele Varianten in der Praxis aufs Brett kommen können. Davon hängt unter anderem die Beantwortung vieler der obigen Fragen ab. Ganz wichtig aber: die Anzahl an Varianten allein ist noch lange kein alleiniges Auswahlkriterium für eine Eröffnung. Aber diese Anzahl fließt in die daraus abgeleiteten obigen Kriterien ein.

Im Mittelalter gab es kaum Wissen über Schacheröffnungen
Das königliche Spiel

Wie viele verschiedene Varianten sollte meine Eröffnung haben?

Vorüberlegung

Zunächst einmal gibt es den Fall, in dem ich nur gelegentlich Wettkampfschach spiele oder wenn meine Partien nicht veröffentlicht bzw. gespeichert werden. Dann reicht es, wenn meine Eröffnung nur ganz wenige mögliche Varianten hat. Das gleiche gilt, wenn ich an Turnieren teilnehme, bei denen es keine Vorbereitungszeit gibt. Bei denen kann sich der Gegner ohnehin nicht auf mich vorbereiten.

Wo spiele ich?

Ganz anders sieht es aus, wenn ich viele Jahre in der selben Liga oder am gleichen Turnier teilnehme. Dann kennen meine Gegner mich und meine Eröffnung. Insbesondere ist es in dem Fall wichtig, dass meine Eröffnung so viele Varianten hat, dass sie für meine Gegner nicht zu vorhersagbar ist. Je mehr Varianten dann möglich sind, desto weniger vorhersagbar ist mein Spiel für den Gegner. Desto schlechter kann er sich auf mich vorbereiten.

Variantenzahl

Hat meine Eröffnung aber sehr viele Varianten, so steigt auch die Zahl der Varianten, die ich lernen muss, enorm an. Kann ich mir z.B. nur 18 Varianten merken, so fehlen mir bei 100 möglichen Varianten 82% aller Varianten, während mir bei 20 möglichen Varianten nur 2% fehlen. Hier rührt die Vorliebe vieler konservativer Schachspieler her, Eröffnungen mit geringem Reichtum an Varianten zu spielen. Dadurch dass man sich nur eine bestimmte Anzahl Varianten merken kann, steigt bei solchen Schacheröffnungen die Sicherheit enorm. Die Sicherheit, keine unbekannten Varianten aufs Brett zu bekommen.

Wie viele Varianten können in der Praxis aufs Brett kommen?

Hierauf gibt es keine allgemeine Antwort, da dies stark von der Eröffnung abhängt. Ich empfehle zur Beantwortung für die jeweilige Eröffnung den oben schon genannten Baum aller möglichen Eröffnungen in der Praxis unter http://www.chesstree.net/

Wie genau muss ich alle Varianten in den Schacheröffnungen kennen?

Das hängt ebenfalls von der Anzahl der möglichen Varianten ab. Hat meine Eröffnung nur wenige Varianten, so tue ich gut daran, diese auch umfassend zu kennen. Um eine Zahl zu nennen: 98-99% bei variantenarmen Eröffnungen. Sind in meiner Eröffnung hingegen sehr viele Varianten möglich, begeben sich beide Spieler am Brett in einen Kosmos an Möglichkeiten. Es wird damit immer unwichtiger, wirklich alle Varianten zu kennen. Ein hoher Prozentsatz sollte reichen. Um eine Zahl zu nennen, 60-80% bei komplexen Eröffnungen.

Wie schwer sind die Varianten meiner Eröffnungen zu merken?

Auch hier spielt die Anzahl möglicher Varianten hinein. Je mehr Varianten eine Eröffnung hat, desto schwerer ist es, sie alle zu behalten. Auch wächst die Anzahl an Varianten exponentiell mit der Zugtiefe. Sind pro Stellung in der Eröffnung beispielsweise zehn Züge in Betracht zu ziehen, so sind es nach acht Halbzügen 108 also hundert Millionen Varianten. Umgekehrt sind bei komplexen Eröffnungen in der Regel auch mehr Züge pro Stellung in Betracht zu ziehen. Dadurch steigt wieder die Anzahl Varianten. Folglich kommt es, dass die Eröffnungslandschaft clustert in sehr komplexe und sehr einfache Eröffnungen.

Muss ich überhaupt Varianten lernen?

Bei manchen Schacheröffnungen reicht tatsächlich die Kenntnis der Grundidee der Eröffnung. Dazu gehören z.B. das Colle System oder das Londoner System. Damit sind dann einerseits auch nahezu keine Varianten in diesen Eröffnungen zu lernen. Andererseits jedoch sind solche Eröffnungen, wie oben schon ausgeführt, vorhersagbarer als andere. Wenn man sich also auf diese Schacheröffnungen beschränkt, läuft man der Vorbereitung des Gegners öfter ins Messer. Als Ergänzung zu einem abwechslungsreichen Repertoire sind sie aber auch im Wettkampfschach geeignet.

Wird mich ein Gegner in meinen eigenen Schacheröffnungen böse überraschen?

Gute Frage

Lassen Sie sich in Ihren eigenen Eröffnungen nicht überraschen!

Die Antwort auf diese Frage hängt nicht nur von der Eingangszahl der möglichen Varianten ab. Hier gibt es nämlich einen wichtigen Fallstrick. Ich werde keine Eröffnung vollständig lernen können. Das heißt, es wird immer einen Restsatz an Varianten geben. Varianten, die ich nicht kenne.

Zu diesem Restsatz an Varianten, die ich nicht kenne, kommen noch weitere Varianten hinzu, und zwar diejenigen, die nachteilig für mich sind. Letztlich ist also die Summe daraus, also die Summe der Varianten, die ich nicht kenne und derer, die nachteilig für mich sind, entscheidend.

Die Antwort: Ein hilfreiches Mathe-Tool

Nun kann man sich überlegen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass in der Praxis eine der unliebsamen Varianten aufs Brett kommt. Ich lege mir ein Eröffnungsrepertoire zu, indem es eine bestimmte Anzahl an möglichen Varianten für eine Eröffnung gibt. Davon kenne ich eine bestimmte Anzahl schlecht oder diese sind nachteilig für mich. Wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit bei n gespielten Partien zu dieser Eröffnung, dass mindestens einmal eine dieser unbekannten/nachteiligen Varianten auf Brett kommt? Rechnen Sie im Folgenden mit diesem praktischen, automatischen Taschenrechner für Wahrscheinlichkeiten selbst! 😉

Die Größe dieser Wahrscheinlichkeit allein sagt noch nicht viel. Wichtig ist bei der Interpretation, ob man als Spielertyp anstrebt, einen riesigen Schachkosmos mit viel Kreativität und Neuem zu erkunden. Oder ob man eher geneigt ist, auf ausgetretenen, sicheren Pfaden zu wandern. In diesem Fall wird man dafür aber berechenbarer für seine Gegner. Mit diesem mathematische Tool kann jeder sich selbst ein Urteil über die richtige Strategie bilden, um der vielen Varianten im Schach Herr zu werden.

Fazit

Die richtige Wahl der Eröffnung und die richtige Strategie beim Aufbau eines Eröffnungsrepertoires ist also nicht nur Geschmackssache. Es gibt einige Argumente, die bei diesen Entscheidungen wichtig sind. Ein ganz wichtiges Argument ist ganz sicher die Anzahl der in der Praxis möglichen Varianten in einer Schacheröffnung – kurz: Zahl an Varianten. Doch wir haben gesehen, dass die Zusammenhänge komplexer sind.

Viel Spaß und Erfolg beim Aufbau des eigenes Repertoires an Schacheröffnungen und gut Holz!

SH März 2019

Update SH Mai 2021


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schachlich.de ist wieder werbefrei, und kann es dank Menschen wie dir auch bleiben. Ich freue mich aber über ein Trinkgeld von dir 🙂

Kommentare

2 Antworten zu „Wie lassen sich Schacheröffnungen lernen?“

  1. Avatar von Sven
    Sven

    Liebe Schachfreundin Monika,

    danke für Ihre netten Zeilen! Ja, auch meine Erfahrung ist, das selbst die Großen nur mit Wasser kochen. Aber sie kennen durch viel Übung und Training eben deutlich mehr Motive und Muster als ein Laie oder Semi-Amateur. Schach macht einen demütig vor der Mächtigkeit des Spiels.

    Viel Spaß weiterhin und gut Holz!

    Sven

  2. Avatar von Monika Görbing
    Monika Görbing

    Danke, diese Zeilen zu lesen, war richtig und wichtig für mich. Es ist gut, wenn man einige Eröffnungen kennt und auch spielen kann. Es gehören aber immer zwei dazu. Wie reagiere ich auf eine Eröffnung meines Schachpartners, da gibt es bestimmt auch Möglichkeiten, wie zu reagieren ist. Ich spiele nur in der Familie. Vor 60 Jahren habe ich privat gegen den Großmeister Wolfgang Uhlmann eine Party gespielt. Für meine Verhältnisse hat es sehr lange gedauert, bis ich Schach matt war. Ich habe das so gedeutet, dass ich mit Zügen reagiert habe, die ihm fremd waren und irritierten, das war eigentlich respektlos – oder? Also, ein blindes Huhn kann auch mal ein Körnchen finden.

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