Ein Doppelbauer
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Bauern beim Schach – die Seele des Spiels

Ein Doppelbauer
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Bauern beim Schach – die Seele des Spiels

Es gibt sechs verschiedene Figuren beim Schach. Der Bauer ist eigentlich die schwächste darunter, wenngleich zahlenmäßig überlegen. Wie kommt es, dass der große Philidor diese Figur “die Seele des Spiels” nannte?

Nun, ein Großteil der Eigenheiten des Schachspiels kommt eben gerade durch sie und insbesondere durch Bauernstrukturen zustande. Dazu später mehr. Nach den Grundlagen zeige ich Euch einige Geheimnisse der Bauernführung. Warum der Bauer so wichtig ist und große Auswirkungen auf alle anderen Figuren und letztlich das ganze Spiel hat.

Doch nun eins nach dem anderen.

Wo stehen die Bauern beim Schach?

Die Bauern (Unicode: ♙ U+2659, ♟ U+265F) stehen zunächst eine Reihe vor den anderen Figuren. Also bei Weiß auf der zweiten und bei Schwarz auf der siebten Reihe. Die weißen Bauern stehen also auf den acht Feldern a2 bis h2, die schwarzen entsprechend auf den acht Feldern a7 bis h7.

Was darf der Bauer beim Schach?

einer der weißen Bauern
Bauer

Der Bauer (engl. “pawn”) darf immer nur ein Feld vorziehen, niemals zurück. Eine Ausnahme gibt es dabei. Nämlich wenn er sich noch in der Ausgangsposition befindet. Dann darf er in einem Rutsch zwei Felder weit vorziehen:

Jeder Bauer hat also im ersten Zug zwei mögliche Zugfelder. Im Gegensatz zu den anderen Figuren schlägt er aber anders als er zieht. Er schlägt ein Feld schräg (entweder nach rechts oder links). Vorstellen kann man sich dies wie die Heugabel eines Lehnsknechts im Mittelalter. Man spricht auch von der Bauerngabel:

Steht dort also eine gegnerische Figur, wird diese geschlagen. Wie die anderen Figuren auch kann er nicht auf Felder ziehen, auf denen schon eine eigene Figur steht. Beim Schach kann ja auf jedem Feld immer nur höchstens eine Figur stehen.

En passant

Wichtig für alle, die nach den richtigen Regeln spielen wollen, ist noch die sogenannte “en passant”-Regel. Sie besagt folgendes.

Wenn ein weißer Bauer auf der vierten Reihe steht, und ein schwarzer Bauer aus der Anfangsstellung neben diesen zieht, so kann er den gegnerischen “en passant”, also im Vorübergehen, schlagen. Im Beispiel schlägt dann der weiße Bauer ein Feld schräg auf die sechste Reihe und eliminiert sein Gegenüber auf der fünften Reihe:

Die Idee dahinter ist, dass der gegnerische Bauer ja eigentlich zwei Züge in einem gemacht hat. Das sei aber kein Grund, dass er entkommen könnte.

Das Gleiche gilt entsprechend natürlich für entgegengesetzte Farben und die fünfte bzw. sechste Reihe.

Umwandlung

Besonders interessant werden die Bauern im fortgeschrittenen Spiel, insbesondere im Endspiel. Erreicht nämlich ein Bauer die gegnerische Seite, also ein weißer die achte Reihe oder ein schwarzer die erste, so wird er umgewandelt. Die Umwandlung muss erfolgen.

Dabei wird der Bauer in eine beliebige Figur umgewandelt, also außer einem weiteren König natürlich. In den allermeisten Fällen wird dies die mächtigste Figur, also eine Dame sein. In manchen Fällen will man aber vielleicht ein Patt verhindern oder mit einem Springer geschickt Matt setzen. Und so sind natürlich auch Turm und Läufer möglich.

Insgesamt kann ein Spieler also bis zu neun Damen auf dem Brett haben, was höchst hypothetisch ist.

Oft wird ein Endspiel durch die Umwandlung eines Bauern entschieden, da dies das Kräftegleichgewicht enorm verschiebt. Aber auch im Mittelspiel kann ein vorgerückter Bauer durch seine drohende Umwandlung zur großen Gefahr werden, und das Spiel entscheiden.

Bauern drohen sich zur Dame umzuwandeln und dabei im Extremfall, wie hier, sofort Matt zu setzen
Ein Bauer wird umgewandelt und setzt hier in einem Zug Matt.

Wesen der Bauern

Die Bauern sind an sich die schwächsten Figuren im Schach. Deshalb wird auch der Wert der anderen Figuren in dieser kleinsten Einheit, in Bauerneinheiten angegeben:

BauerSpringerLäuferTurmDame
1.002.753.254.659.00

Doch das hier nur am Rande. Sie spielen dennoch eine enorm große Rolle. Keine Figur wird sich einfach so gegen einen Bauern opfern, da dies im Allgemeinen ein schlechtes Geschäft ist. So kommt es, dass die Bauern die Struktur der jeweiligen Stellung vorgeben. Man spricht entsprechend von der Bauernstruktur. Sie bestimmen damit insbesondere, wo es sinnvoll ist, die anderen Figuren in Position zu bringen.

Ein guter Schachspieler wird sich sowohl sehr gut überlegen, wie er seine Bauern führt, als auch, wo er seine anderen Figuren positioniert (wie etwa einen Vorposten). Anhand von Miniplänen wird er die Stellung immer mehr zu seinen Gunsten verbessern.

Da ein Bauer, wenn er einmal gezogen ist, nicht umkehren kann, sind Bauernzüge gewichtige Entscheidungen. Ein Turm etwa kann leicht auf ein andere Linie manövriert werden, doch ein Bauer nimmt immer eine sehr spezielle Funktion an seinem Platz ein, den er nur schrittweise und immer irreversibel ändern kann.

Schließlich sei noch erwähnt, dass sie, eben weil sie nur geringen Wert haben, einfachen Schutz für den König bieten können. Insbesondere deshalb bietet sich eine frühzeitige Rochade des Königs auf eine der beiden Seiten an. Diese kann wegen des Grundreihenmatts aber auch gefährlich sein. Die Bauern nehmen dem König die Fluchtfelder:

Deshalb tut man gut daran, dem König “Luft” zu machen. Dabei wird h2-h3 bzw. h7-h6 gespielt. Der König erhält damit ein sicheres Schlupfloch auf h2 bzw. h7. Dieser Zug für ein Luftloch wird tatsächlich international im Schach Luft genannt. 😉

Fazit

Bauern sind die Seele des Spiels.

François-André Danican Philidor

Bauern spielen eine sehr große Rolle beim Schach. Insbesondere durch die Stellungsstrukturen, die von ihnen ausgehen. Gerade Anfänger sehen diese Bedeutung oft nicht, aber man begegnet auch vielen erfahrenen Schachspielern, die auf ihrem Weg noch nichts über Bauernführung gelernt zu haben scheinen.

Bauern bestimmen, ob eine Stellung offen oder geschlossen ist. Entsprechend bestimmen sie, ob ein Springer an Stärke gewinnt oder ein Läufer. Auch ergeben sich schwache Felder, die dann ein Läufer der gleichen Farbe ausgleichen kann. Darüber hinaus geht es in vielen Endspielen in erster Linie darum, einen Bauern (oft die letzte Figur außer den Königen) umzuwandeln, um so ein Matt und den einscheidenenden Ausgang der Partie zu ermöglichen.

Ein Doppelbauer - ein besonderer Fall eines Bauern
Einfach doppelt. Der Doppelbauer.

Probiere Dich aus mit der Führung der Bauern! Erkenne z.B. die Schwächen aber auch Stärken eines Doppelbauern, etwa in der Sveshnikow-Verteidigung. Spielst Du gerne klassisch, und kämpfst um das Zentrum mit Deinen Bauern? Oder überlässt Du dem Gegner scheinbar großzügig die gesamte Mitte des Bretts für seine Zentrumsbauern wie in der Grünfeld-Verteidigung, um dann aber eben dieses Zentrum zu überstrapazieren und mit dynamischem, geballtem Figurenspiel zurückzuschlagen?

Wie es Dir auch gefällt, viel Spaß beim Schach und gut Holz!

SH, 09.2021


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schachlich.de ist wieder werbefrei, und kann es dank Menschen wie dir auch bleiben. Ich freue mich aber über ein Trinkgeld von dir 🙂

Kommentare

2 Antworten zu „Bauern beim Schach – die Seele des Spiels“

  1. Avatar von Sven
    Sven

    Hallo Hanno,

    danke für Deinen passenden, brandaktuellen Kommentar

    Hier die zugehörige Partie der WM auf Lichess https://lichess.org/study/RoBvWqfx/WodqeDZr

    Viele Grüße

    Sven

  2. Avatar von Hanno
    Hanno

    WM , “Verrupfte” Bauern
    Nepo wirkt stellenweise ratlos, manche Kommentoren meinen das er der schwächste Herausforderer von Magnus ist

    So ein katastrophaler Fehler wie b5 bei einem Weltklassespieler, schade, bei denen reicht 1 Bauer mehr zum Gewinn gegen eine Minusbauernstellung mit verupften Restbauern

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