Isolation führt zu Verrohung im Schach
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Verrohung im Schach

Isolation führt zu Verrohung im Schach
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Verrohung im Schach

Schach ist Kultur, ist zwischenmenschliche Begegnung. Gleichzeitig ist es Wettkampf und Sport. Doch mit Corona kam es zusehends zu einer Verrohung im Schach. Wieso? Und wie damit umgehen? – Dazu im Folgenden mehr.

Menschen und Krieg

So lange es Menschen gibt, gibt es auch Auseinandersetzungen und Konflikte. Ein Ich trifft auf ein Du, ein Wir auf ein Ihr oder Die. Die Geschichte des Schachspiels, des königlichen Spiels, reicht weit zurück. Das Spiel ist ein abstrahierter Krieg zweier Völker unter ihrem jeweiligen Herrscher, dem Schah, dem König.

Doch anders als der brutale Krieg mit Waffen und am körperlichen Gegenüber, dem Krieg mit Folter, Vergewaltigung und Genozid gestaltet sich Schach als geistiger Zweikampf. Statt körperlicher Auseinandersetzung mit womöglich tödlicher Folge das geistige Messen von Vernunft und Kreativität im logischen Konstrukt nahezu unendlicher Möglichkeiten. (Es gibt mehr mögliche Schachpartien als Atome im Universum.)

Virtualität

Historisch hat das Schachspiel in den letzten Jahrzehnten ein anderes Gesicht bekommen. Ein abstrahiertes, ein virtuelles Gesicht. Der Schachspieler als User auf einem Online-Server. Auch die restliche menschliche Welt hat in den letzten Jahrzehnten ein anderes Gesicht bekommen.

Wie werden Konflikte heute geführt? – Zwar gibt es nach wie vor primitive Feindbilder, wie “die bösen Russen” oder “die Migranten”, doch findet nunmehr eine zusätzliche Abstraktion der Auseinandersetzung im Krieg selbst statt. Ich meine die Virtualisierung von Krieg durch Dronen und Roboter. Der Krieg wird umso brutaler, je mehr Distanz der Soldat bzw. der Kriegstreibende zu seinen Opfern hat. Bürger*innen werden indoktriniert, dass mit Aufrüstung, mehr Waffen und mehr Aggression die Lösung nahe sei. Menschlichkeit bleibt auf der Strecke.

Ausbeutung bis zum Kollaps?

Der Mensch zeichnet sich durch seine Ratio, seine Vernunft aus. Sonst ist er eher wie ein Raubtier. Das zerstörerische, ausbeuterische Verhalten der Konzerne und Superreichen zeigt das Ausmaß menschlicher Abgründe: ein ganzer Planet wird so am Ende unbewohnbar sein. Die Spezies Mensch wird für die Gier und den Luxus von extrem Wenigen geopfert. Diese Superreichen leben in einer Blase, einer Illusion, die nichts mit der Realität der übrigen acht Milliarden Bewohner*innen des Planeten gemein hat. Sie geben die „richtige“ Sicht auf die Welt durch von ihnen definierte Zwänge, Politik und Entscheidungen vor: Ausbeutung bis zum Kollaps. “Anpassung” an den menschengemachten Klimawandel, an den Untergang statt vernünftigem Leben im Einklang mit der Natur und Suchen nach Lösungen.

Warum lassen sich Entscheider*innen nicht von beseelten Wissenschaftler*innen beraten?

Alle Menschen, die ich kenne, wünschen sich Liebe, Frieden, die Überwindung von Armut und eine schöne und sichere Umwelt. Warum also machen wir das dann nicht einfach? Was hält uns als Gesellschaft davon ab?

Maja Göpel

Schach – Das königliche Spiel

Kultur: gegen Verrohung im Schach
THE QUEEN’S GAMBIT (L to R) BILL CAMP as MR. SHAIBEL and ISLA JOHNSTON as BETH (ORPHANAGE) in episode 101 of THE QUEEN’S GAMBIT Cr. PHIL BRAY/NETFLIX © 2020

Zurück zum Schach. Was zeichnet für mich die Kultur des Schachspiels aus? – Schach am Brett: gepflegte Umgangsformen, ein freundlicher Händedruck vorher und nachher, den anderen nicht stören beim Nachdenken. Rücksicht und Fairness. Gedanklicher Austausch, aber auch Wettkampf und gegenseitiges Ringen. Und das Einsehen, wenn die/der andere gewonnen hat, wie Beth in der Szene aus “Das Damengambit” auf dem Foto oben.

Doch was passiert online beim Schach?

  • Die freundliche Geste zu Spielbeginn oder danach ist eher die Ausnahme.
  • “Zocken” statt Spielen.
  • Bisweilige Beleidigungen oder stichelnde Kommentare im Partie Chat.
  • Weiterspielen völlig verlorener Stellungen.
  • Laufen lassen der Zeit

Die Liste ist lang und könnte fortgeführt werden.

Kein/e Schachspieler*in würde sich solch gegnerisches Verhalten im echten Leben bieten lassen. So würde niemand spielen. Kein solch verrohte/r Gegner*in wäre länger in einem Schachclub geduldet.

Online sind es einzig die Algorithmen der Schachserver, die IT und das nackte Schachregelwerk, wie zu ziehen ist, und wann eine Stellung theoretisch remis ist, die die Spieler*innen zusammen am virtuellen Brett halten. Geht es nicht um Wertungspunkte, werden Partien schlicht auslaufen gelassen.
Im anderen Fall online aber der erbitterte Kampf, vielleicht doch noch auf Zeit zu gewinnen. Ehre ist in der Onlineschachwelt ein Fremdwort für sehr viele. Auch wenn man annehmen sollte, dass diese vielen dennoch eine Minderheit darstellen: sie bestimmen das Niveau der Verrohung im Schach.

Zeit sich zu besinnen

Weltmeister*innen
THE QUEEN’S GAMBIT (L to R) MARCIN DOROCINSKI as VASILY BORGOV and ANYA TAYLOR-JOY as BETH HARMON in episode 107 of THE QUEEN’S GAMBIT Cr. PHIL BRAY/NETFLIX © 2020

Heute, in einer Zeit, in der die Pandemie zurückgedrängt scheint, wenden sich immer mehr Schachspieler*innen wieder den Schachvereinen zu, um anderen Menschen zu begegnen. Genug von Verrohung im Schach. Sie wollen sich im Spiel messen, und nicht in einem Schlagabtausch in einer Software. Corona hatte die Schachwelt in die Online-Sphären getrieben. Nun, da die Pandemie in den letzten Zügen liegt, trauen sich die Schachspieler*innen wieder hinaus in die Welt. Gehen auf andere Spieler*innen zu und suchen die menschliche Begegnung.

Das gibt Hoffnung. Hoffnung auf Besinnung. Vielleicht kann das auch Hoffnung für die Menschen im Allgemeinen sein. Die Distanzierung in der Gesellschaft, die durch soziale Netzwerke und herzlose Politik in den letzten Jahrzehnten verstärkt wurde, könnte aufgebrochen werden. Durch mehr Menschlichkeit, durch mehr direkte menschliche Begegnung. Vor-Ort-Arbeit statt Home-Office. Familie, Freunde, Gruppendynamik, Vereine und Kommunalpolitik statt Globalisierung und Blockdenken. Mittelstand und Kleinunternehmer*innen, statt Konzerne und Superreiche.

Fazit zu Verrohung im Schach

Mehr Wir statt Verrohung im Schach
THE QUEEN’S GAMBIT (L to R) MATTHEW DENNIS LEWIS as MATT, HARRY MELLING as HARRY BELTIK, THOMAS BRODIE-SANGSTER as BENNY, MAX KRAUSE as LEVERTOV, RYAN WICHERT as WEXLER, and RUSSELL DENNIS LEWIS as MIKE in episode 107 of THE QUEEN’S GAMBIT Cr. PHIL BRAY/NETFLIX © 2020

Verrohung im Schach kommt durch Entfremdung und Distanz. Doch statt “wir” und “die” zu sehen, sollte es um etwas anderes gehen: Du und ich, fair sich messend, um ein Ergebnis ringend, aber ehrenhaft und mit menschlicher Größe.

In dem Land, in dem wir wohnen,
sind aber ‘n paar Millionen.
Wenn wir uns erstmal einig sind,
weht, glaub ich, ‘n ganz anderer Wind.

Ton Steine Scherben

Lasst uns die Schachkultur zurück erobern! In diesem Sinne: Gut Holz!

SH 01.2023


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